Psychiatrie oder Selbstmord?
Der Klient (30 J. ) suizidgefährdet, Depressionen, wiederholte Behandlungen und Aufenthalte in der Psychiatrie, akute Beziehungsprobleme, Schuldgefühle, Lebensenergie gestört, Affekthandlungen, Weglauftendenzen, Probleme mit Nähe, kann nichts mehr an- und aufnehmen (trägt Hörgerät).
Er kam mit dem neuen Grundsatz: Ich will aber leben!
In der Psychiatrie bekam er nur Pillen: kleine Totsteller - er suchte Hilfe.
Probesitzung: In der ersten Sitzung geht es um eine Bestandsaufnahme des
Ist-Zustandes und um ein Kennenlernen der Arbeitsweise.
In der Psychiatrie hatte der Klient den Hintergrund seiner Depression nicht
aufgearbeitet. Seine Symptome wurden lediglich mit Pillen unterdrückt.
Dabei drängt das Material nach Befreiung.
Der Klient entscheidet sich für eine Tür auf der rechten Seite
mit der Aufschrift schwarz. Hinter der Tür ist tatsächlich
alles schwarz und das Grundgefühl des Klienten ist von Anspannung gekennzeichnet.
Er befindet sich in einem Zimmer ohne Boden und hat Angst, runterzufallen, sich
zu verlieren. Es scheint ihm sinnlos, weiter in diesem Raum zu bleiben. Er verläßt
ihn wieder und sucht sich die nächste Tür aus, auf der jedoch erneut
nur der Begriff schwarz steht. Der Klient öffnet die Tür,
wirft auch einen Blick hinein, aber bleibt zunächst auf der Schwelle stehen.
Wieder ist der Raum schwarz und ohne Boden. Der Klient hat Angst.
Kl:
Wenn ich da reinfalle, dann bin ich verloren. Und der Kopf spannt wieder an,
im Nacken. Ich habe Bedenken, da reinzugehen. - Der Therapeut möchte
wissen, woher der Klient dieses Gefühl kennt. Daraufhin taucht das Wort
Prügel - allerdings ohne konkrete Erinnerung dazu - auf.
Kl: Einerseits möchte ich reingehen. Anderseits möchte ich die Tür
zuziehen.
Th: Gut. Es sind zwei Tendenzen da. Wichtig ist nur, daß du dich entscheidest,
jetzt. Wenn du reingehst und du hast dich entschieden, dir zu erlauben zu fallen,
fällst du. Keiner weiß, wo das hingeht und das macht Angst.
Kl: Ich kann in den Raum hineingehen und mich fallen lassen. Ich mach die Tür
auf, trete ein .... Steh wieder davor, geh rein und verschwinde usw. Ich kann
nichts erzwingen. Jetzt kommt ein Nein hoch.
Th: Genau, das ist es. Dieses Nein ist das Gummiband, das dich sofort wieder
hochholt. Dann schließe diese Tür. Wir haben noch eine dritte Tür.
Geh darauf zu. Da erscheint jetzt wieder ein Wort. Was steht da? - Der
Klient erkennt zwei Begriffe Hunger und Lebe und sein
Kopf spannt wieder an. Da dieser Raum auch wieder dunkel ist, macht der Therapeut
den Vorschlag, den Lichtschalter zu betätigen.
Kl: Der Lichtschalter macht nicht hell, nur so grau. Ach, ein Stuhl steht da.
Es ist Boden da, dann ist wieder kein Boden da. Ich geh mal hin, setz mich auf
den Stuhl. Der Stuhl ist sehr unbequem. Ich fühle mich sehr unwohl. Icn
sitze auf dem Stuhl, aber ich weiß nicht, wie ich sitzen soll. Ich schlage
die Beine übereinander, rutsche dauernd auf demStuhl hin und her. Steh
auf, setz mich wieder hin. Ich spanne wieder an.
Th: Das heißt, die ganze Energie in dir kommt in Bewegung. Und das Grund-gefühl
ist dein inneres Unwohlsein. Ich mache dir mal einen Vorschlag, und zwar, daß
deine Spannungen sich umsetzen sollen in eine Glasscheibe. Und diese Glasscheibe
ist, wenn du genau hinsiehst, blind. Das heißt, diese Spannung wirkt wie
ein Filter zwischen dir und dem, was du wahrnimmst, dort, also, was auf dich
zukommt aus dem Unterbewußtsein.
Kl: Die Glasscheibe ist sofort zersprungen.
Th: Aha, die Spannung ist so hoch, daß sie zerspringt. O.k., dann müssen
wir es anders machen. Stell dir eine stabile Mauer vor, die auch gleichzeitig
schützt, die trennt, nichts durchläßt. Wie sieht sie aus?
Kl: Sie ist so hoch wie ich. Auf meiner Seite ist sie noch klar abgegrenzt,
auf der anderen Seite ist alles zerdeppert, kaputt und zerschlagen. Es ist,
als ob dauernd einer reinschießen würde. Auf meiner Seite ist sie
noch sehr glatt. Aber auf der anderen Seite wird sie unaufhörlich von Steinen
beschossen. Sie hat schon Dellen. - Es sind seine Impulse aus dem Unterbewußtsein,
diese wollen die Mauer zu seinem Bewußtsein durchbrechen! - Diese Steine
kommen aus dem Nichts. Ich stehe noch sicher hinter der Mauer. Ich habe Angst,
mich dem Beschuß auszusetzen. Die Mauer ist wie ein Schutz.
Th: Was geschieht in deiner Vorstellung, wenn dieser Schutz weg wäre.
Kl: Ich würde viele, viele Schläge abbekommen. Ich würde gesteinigt.
- Diese Grundenergie-Erfahrung drängt hoch - wahrscheinlich wurde
er viel geprügelt: das Wort Prügel war schon da.
Th: Gut, laß mich mal dazu was sagen und spür mal, ob es für
dich stimmt. Diese Mauer ist ein Schutz für dich und die Steine, die da
drauf zukommen, sind deine alten Energien. Du hast irgendetwas abgetrennt und
das will dich wieder erreichen. Es bombadiert dich richtig. Es ist deine Energie,
deine Bilder. Wenn die Mauer weg ist, heißt das, daß du wieder zu
deiner Energie kommst, zu diesen Impulsen, zu diesen Steinen, aber es tut weh.
Weil alles, was du abgetrennt hast, tut weh. Wenn du wieder bereit bist, diese
Steine anzunehmen, mußt du auch diese Schmerzen annehmen, die dazugehören.
- Der Klient betont, daß er dazu bereit ist - Das würde heißen,
du mußt dich schutzlos machen, du mußt bereit sein, in den Schmerz
hineinzuspringen. Das ist die Orientierungslosigkeit, die auf dich wartet. Das
heißt, alles Energetische wird dich wieder erreichen und dir wieder wehtun,
wenn die Mauer nicht mehr hält. Du benutzt sie, wie einen Schutz in diesem
Moment. Wir könnten mal gucken, ob dein Unterbewußtsein bereit ist,
ein Stückchen an Information freizugeben, was dich erwartet. Wir können
mal einen Stein bitten, der für einen bestimmten Schmerz, für ein
bestimmtes Erlebnis steht, sich zu erkennen zu geben, oder kurze, knappe Informationen
oder Bilder zu liefern, um was es geht, so daß du se-hen kannst, daß
er eigentlich dein Freund ist. So daß du sehen kannst, daß der Stein
eigentlich zu dir gehört. Es ist deine Erinnerung. Und schau mal, ob der
Stein bereit ist - laß mal einen Stein über die Mauer fliegen - und
sich gleichzeitig als Erinnerung oder als Bild dir, deinem Bewußtsein
präsentieren. Jetzt!
Kl: Ich versuche es, aber es kommt immer ein Nein und Angst hoch.
Th: Da ruft ein Anteil in dir aus Angst heraus NEIN - das ist klar. Stell dir
mal diesen Anteil als Gestalt vor.
Kl: Hat nur Umrisse. Ein bisschen wie ein Gespenst. ... Es kommt hoch - Angst vor Verletzung.
Th: Ja, gut. Er hat mit Sicherheit den für sich richtigen Weg gewählt,
dich zu schützen, das heißt auch, die Mauer aufrecht zu erhalten.
Ich möchte jetzt gern wissen, ob er bereit ist, dir von den Verletzungen
zu erzählen. Bitte ihn jetzt mal, er möge dir ein Alter nennen, in
dem eine Verletzung geschehen ist, die wichtig ist, daß du sie warnimmst.
Welches Alter, welche Zahl taucht auf. Jetzt? - Klient nennt die Zahl 5 - Geh
mit deinem Be-wußtsein zurück, damit wir diesen Teil besser warnehmen
können. Schau mal aus deinen Augen heraus, spür den Bo-den unter deinen
Füßen. Laß dich überraschen - was taucht auf, dort?
Kl: Ich sehe mich als kleinen Jungen im Hof bei einer Badewanne, gucke dauernd
zum Fenster hoch. Ich weiß nicht, ob das Angst ist. Ich fühle mich
beobachtet. Ich fühle mich nicht frei, zu tun, was ich will, ich habe Angst,
Unrecht zu tun. Ich bleib nur da sitzen und trau mich einfach nicht das zu tun,
was ich will. Ich habe keine Vorstellung von dem, was ich will.
Th: Das ist o.k. Spür nur dieses Gefühl, das ist wichtig. Wenn es
sich verändert, teil es mir mit. Wenn nicht, geh weiter zum nächstwichtigen
Ereignis.
Kl: Ich komme des Weges hoch und sin-ge, weil ich Angst habe in der Nacht.
Mein rechter Fuß ist wieder kalt geworden. Zwischendurch wird er etwas
wärmer und dann wieder kälter. Ich bin wieder fest angespannt (im
Stimmausdruck hörbar) .
Ich hab dann weniger Furcht, mir könnte irgendjemand etwas antun. Wenn
ich so dahergehe, schütze ich mich vor der Angst, wenn ich da so singe.
Ich habe Angst, man tut mir was an. Ich bin ein kleiner Junge.
Th: Ja, wer könnte dir was antun. Erlaub dir mal diese Fantasie.
Kl: Der Dunkelmann ist da. Irgendwas Anonymes. Es kommt hoch, ich habe
zu gehorchen!- Vater und Mutter tauchen auf - Ich habe Angst. Ich steh
vor dem Fenster, auf dem Fensterbrett. Ich weiß nicht, was ich gemacht
habe, ob ich die Gardine angezündet habe. Ich bin sehr klein und schaue
voller Furcht auf meinen Vater. Ich habe Angst, er tut mir was an. Er ist jedenfalls
schrecklich böse. Ich bin 2 oder 3 Jahre alt. Er strahlt einen mächtigen
Druck aus. Ich habe Angst! Es tut mir doch leid, was geschehen ist. Also, ich
habe es doch nicht extra gemacht.
Th: Schau ihn an, deinen Vater. Was tut er in dir? Schau ihm in die Augen.
Kl: Ich kann ihm nicht in die Augen schauen. Dafür ist der Druck zu stark.
Ich weiß nichts mehr. (Der Druck der Steine)
Th: Spür mal, wie du dicht machst an der Stelle, jetzt dort. Was macht
dein Vater? Wie reagiert er? Du weißt es, du hast es mitbekommen, du hast
es gespürt. Guck mal wie es im Darm arbeitet (Darmgeräusche hörbar)
da entspannt sich jetzt was. Alles wieder da. Drücks aus. Hör
die Worte.
Kl: Er schimpft, glaube ich. Er schimpft.
Th: Welchen Satz hast du auf den Lippen? Wiederhole die Worte. Sage einen Satz
mit ich.
Kl: Das habe ich nicht gewollt. - Er soll es mehrmals wiederholen - Das habe
ich nicht gewollt. Das habe ich nicht extra getan. (wiederholt) Ich kann
mich kaum wehren. Ich habe das Gefühl, ich liege nicht richtig auf der
Matratze. Es ist, als wenn ich schwimme, es ist, als ob ich nicht richtig liege.
Die Körperteile sind verkehrt, das rechte Bein ist jetzt länger. Der
Kopf, der zieht im Hinterkopf unangenehm. Die Arme gehören nicht zum Körper
und gehören doch dazu. Ich bin auch etwas angespannt. Es ist als wenn alles
neu, richtig zusammengesetzt werden müßte. Der Kopf ein ganzes Stück
nach rechts. Der Körper liegt auf der anderen Seite nach links. Ein komisches
Gefühl. - Dieses Körpergefühl ist echt: als ob alles neu zusammengesetzt
werden müßte: geschieht automatisch, durch den angestrebten synergetischen
Chaosprozeß.
Th: Ja, nimm wahr, so ist es. Und sag mir, was tut dein Vater? Was tut sich
mit deinem Ohr? (Klient trägt ein Höhrgerät) Wie hörst
du es? Hat er laut geschrien? Konntest du es nicht mehr hören?
Kl:
Ich glaube, ich habe dicht gemacht.
Th: Wenn du jetzt an der Stelle bist, wo du merkst daß du dicht gemacht hast, könntest du an der Stelle auch wieder aufmachen. Und diese Gestalt hat dir bis jetzt alles gezeigt, bis zu dieser Stelle. Und das ist auch der Grund, warum du dicht machen mußt, heute. Du kannst wieder aufmachen. Tu es. Hör, was sagt dein Vater? Erlaub dir mal, dich wieder an die Worte zu erinnern, den Schmerz zu spüren.
Kl: Ich spür nur Druck.
Th: Gut, dann spür den Druck. Druck heißt, da will was raus. Wo
spürst du den Druck?
Kl: Eigentlich mehr oder weniger überall. Ich habe mich immer zu sehr
beherrscht.
Th: Ja, wiederhole den Satz immer wieder.
Kl: Ich habe mich immer zu beherrschen. (wiederholt mehrmals) Ich darf
nicht weinen. Ich darf nicht weinen (wiederholt mehrmals)
Th: Selbst heute nicht, der Satz gilt immer noch. (Tief gefasste Entschlüsse
wirken ewig weiter.) Ja, was sagt dein Vater? Wie reagiert er?
Kl: Schroff. Auch, als wenn er aggressiv wäre und das unterdrückt.
Aber ich spüre den Druck. Ich möchte , daß er mich in Ruhe läßt.
- Er redet mit seinem Energiebild innerer Vater - dies wurde
vom realen Vater geprägt! Der Therapeut fordert zur direkten Kommunikation
auf - Ich möchte, daß du mich in Ruhe läßt. Jetzt
kommt von innen her hoch - meine Mutter ist wie eine Glucke. - Die Erfahrung
der Reaktion der Mutter ist eng ge-ankert mit diesem Erlebnis. Daher kommt dieser
Impuls sofort! Der Therapeut fordert erneut zur direkten Kommunikation auf
- Du bist wie eine Glucke! Ich spanne schon wieder an. Ich fühle mich
ziemlich alleine. Ach ja. (holt tief Luft) Ich fühle mich sehr,
sehr unangenehm. Ich fühle mich von meinen Eltern alleine gelassen.
- Direktes Ansprechen - Ich fühle mich von euch beiden alleine gelassen!
In mir ist nur Abwehr und Ver-schlossenheit. - Die Reaktion des Vaters auf diese
Aussage ist unklar - Ich glaube nicht, daß er das versteht. Er sagt, wir
tun doch alles für dich! ... Ich habe dicht gemacht, weil ihr mich nicht
versteht. Ihr seid mir irgendwo sehr fremd. Es ist ein Spannungszustand da.
Vielleicht habe ich deswegen dicht gemacht, wegen dem Spannungszustand. Ich
kann das nicht ertragen
Th: Ja. Sag es Ihnen. Erlaub es zu spüren, daß du als ganz kleines
Kind die Spannung nicht ertragen konntest und dicht gemacht hast. Daß
du heute deshalb auch nichts mehr spürst.
Kl: Ich möchte nicht mehr, daß ihr mir zu nahe kommt! ... Die kommen
mir aber trotzdem wieder zu nahe. Ich muß ein lieber, braver Junge sein.
...Wenn ich dicht gemacht habe, habe ich keine Angst. Ich bin nur hart. Dieses
Hartsein ist da, aber es ist nicht freiwillig.
Th: Was zwingt dich dazu, bei deinem Vater und deiner Mutter dicht zu machen,
jetzt dort? Spür es mal. Welches Gefühl würde auftauchen, wenn
du nicht dicht machst? Laß beide da sein und spür es mal.
Kl: Dann wird warscheinlich Weinen, oder Tränen hochkommen. Die kommen
mir immer wieder zu nah... Ihr kommt mir immer wieder zu nah. Ich will nicht,
daß ihr mir zu nahe kommt. Ich brauche den Abstand, damit ich dicht machen
kann.
Th: Spür mal, was in dir abgestorben ist, nicht mehr lebt.
Kl: Mein Gefühl lebt nicht mehr. Ich möchte fortlaufen. Aber ich
muß dableiben. Ich spüre eine Härte mir selbst gegenüber.
Ich kann es kaum ertragen.
Th: Stell dir vor, du würdest dieses kleine Kind in dir, daß du
damals warst, besuchen. Vielleicht irgendwo auf einem ganz neutralen Ort. Wie
sieht dieses kleine Kind aus?
Kl: Ich würde das kleine Kind direkt umbringen. - Er hat sich mit seinem
Vater solidarisiert. - Es baut dauernd Scheiße. ... Auf der einen
Seite habe ich das Kind sehr gern. Aber es hat Scheiße gebaut. Ich möchte
gerne mit ihm reden, aber es ist verschlossen. Es bemerkt auch meine DrohHaltung.
... Das kleine Kind sollte endlich erwachsen werden. Statt dessen hat es sich
wieder ins Kind-sein reingeflüchtet. Irgendwo bin ich ganz verzweifelt.
Es ist so schön mit dem kleinen Kind umzugehen. - Die Span-nung ist Verzweiflung.
Sie muß abflie-ßen. Der Therapeut fordert wieder zur direkten Kommunikation
auf - Ja, es hat Angst. Ich kann nicht sagen warum. Ich kann nur sagen, ich
kann kleine Kinder in dem Sinne nicht leiden. Es will sich verstecken, zurückziehen.
Ich habe Furcht vorm Vater und krieche zur Mutter ins Bett und schau zum Vater,
ob er nicht wach wird dadurch. Ich schleiche mich immer dann in der Nacht heran,
wenn mein Vater schläft. Ich steh dann einfach nur da, in mich zurückgezogen
und trau mich nichts. Ich trau mich gar nichts mehr. Ich habe zu gehorchen.
- Vogelgezwitscher wird eingespielt - Im Moment kotzt mich alles, was mit Leben
zu tun hat an. Ich empfinde das als lästig. Kindergeschrei und Vogelgesang
- kann ich alles nicht hören. ... Irgendetwas taucht jetzt auf, als ob
ich mich nicht dagegen wehren könnte. Resignation. Ich halte alles fest.
Ich fühle mich festgehalten. Ich fühle mich einfach wie eine Marionette.
Th: Schau mal, wer hält dich fest?
Kl: Das bin ich selbst. - Plötzlich taucht auch die Freundin des Klienten
auf - Verdammt nochmal. Ich verhalte mich ihr gegenüber immer wie ein
Kleinkind. Sie hat Macht über mich. Ja.
Th: Hat sie auch die Fäden in der Hand, von dieser Marionette? - Klient
bejaht - Warum schneidest du sie nicht ab? Du mußt aus eigener Kraft leben,
das weißt du. Du mußt zu allen Teilen in dir zurückkommen,
die da sind.
Kl: Ich muß zu meiner Kraft zurückkommen, ja. Ich möchte die
Fäden gerne abschneiden. Ja. aber ich kann es nicht willentlich.
Th: Ja, aber du kannst es entscheiden, nicht mehr auf die Zähne zu beißen,
sondern Töne zu machen, Worte kommen zu lassen. Dem Körper erlauben,
zu reagieren.
Kl: Oh, ist das schwer (stöhnt auf) Ich fühle mich so festgehalten.
Der Körper ist so schwer. Ich will laufen und es geht nicht. Ich will gehen
und es geht nicht. Es ist so schwer.
Th: Guck mal, es ist soviel in Bewegung, jetzt. Deine Stimme klingt anders
und schwingt.
Kl: (energische Betonung) Es reicht mir und ich habe die Nase voll.
Ich kann mich so nicht mehr haben! ...Da kommt irgendwie das Gefühl hoch,
weinen zu müssen, aber ich kann nicht.
Th: Ja, es kann in dir vertrocknet sein und muß erst alles wieder in
Gang kommen. Nimm als ersten Schritt einfach nur wahr, daß vielleicht
dieses Kind in dir weinen möchte, daß dieses Kind fröhlich sein
möchte. - Kinderlieder werden eingespielt.
Kl: (jämmerliche Stimme) Das möchte wieder fröhlich sein...
Ich möchte gerne wieder fröhlich sein.
Th: Stell dir mal vor, das, was zwischen dir und dem Kind, diesem Gefühl
steht, wäre wieder so etwas wie eine Mauer. - Klient bejaht, er sieht
die Mauer - Spür mal, bist du bereit, die Mauer weghaben zu wollen?
Das ist die Mauer, die ist schon gebaut worden, als du ein kleines Kind warst.
Da hast du angefangen, sie zu errichten. Sie hat dich geschützt vor deinen
Eltern. Wenn die Mauer fällt, fällt sie auch zwischen dir und deinen
Eltern. Zu allen Gefühlen, die existieren und existiert haben. Bist du
bereit, die Mauer zu sprengen? Ich sag dir wie. Du mußt nur wissen ob
du es willst.
Kl: Ich bin bereit, diese Mauer zu sprengen? Jeder Teil in mir will, daß
die Mauer weggeht.
Th: Dann stell dir jetzt vor, daß du Sprengstoff an diese Mauer legst.
Laß dir einen Moment Zeit. Dann stell dir vor, daß du jetzt ein
Streichholz nimmst. - Sprenggeräusche werden eingespielt.
Kl: Die Mauer ist endlos. Ich sprenge ein Stück und dann kommt eine neue,
und eine neue ... (weinerlich,verzweifelt) Es liegen Trümmer da. Und dann
ist wieder ein Stück Mauer da und dann wird wieder weggesprengt. Und ich
seh ständig, wie die Mauer immer wieder vorkommen will. Ich will,
daß die Mauer, jetzt offen bleibt.
Th: Ja. Schau mal, was sich bei diesem Kind verändert hat.
Kl: Ich bin noch so teilnahmslos. Es bedeutet mir nichts.
Th: Spür mal in deine Hände, nur mal wahrnehmen. Du hälst dich
an deiner Traurigkeit fest.
Kl: Ja, es ist eine tiefe Traurigkeit da.
Th: Irgendwo hast du doch schon Kontakt dazu gehabt. Und es ist auch in Ord-nung,
jetzt nicht so herumzuschmeißen, sonst würde diese tiefe Traurigkeit
dich überschwemmen. Nimm einfach wahr, daß es wichtig ist, Schritt
für Schritt in deiner eigenen Geschwindigkeit vorwärts zu gehen und
wahrzunehmen, was da ist. Die Mauern, die Teilnahmslosigkeit, die Traurigkeit,
die Eltern, das NEIN, der Widerstand.
Kl: Aber es muß auch mal Hoffnung kommen.
Th: Da ist Hoffnungslosigkeit da, die verändert sich, wenn du sie annimmst.
Das ist so ein Nebeneffekt, man kann es nicht erzeugen.
Kl: Wenn ich wahrnehme so ist es, meint mein Verstand, er spielt verrückt.
Th: Was dein Verstand meint, ist nicht so wichtig. Das ist nur ein Kommentar.
Die Realität in dir ist so, wie du es wahrnimmst.
Kl: (holt tief Luft) Ich will leben!
Th: Ja! - Der Therapeut führt den Klienten zum Vergleich nochmal zu der
Tür mit der Aufschrift schwarz. Er ist bereit, sie jetzt etwas
weiter zu öffnen. Im Raum ist immer noch alles schwarz und ohne Boden.
- Spür mal, ob du bereit wärst hineinzugehen, ob du bereit wärst,
dich in dieses Bodenlose fallen zu lassen.
Kl: Vom Verstand her, ja. Ich habe den Willen, mich hineinfallen zu lassen.
Th: Wäre es wichtig für dich, ein paar Tage hier zu sein dafür?
Spür es mal. Weil wenn du hineinfällst, was immer auch geschieht -
es passiert sowas wie Kontrollverlust. - Klient bejaht - Du stehst noch
überall davor. Es ist in Ordnung, es beim ersten Mal nicht zu tun, sondern
erst mal zu gucken, um was geht es denn. Du stehst überall vor dem Abgrund.
Das heißt aber auch, du stehst überall vor der Möglichkeit,
daß was geschieht. Und du warst dicht daran.
Kl: Ich bin wirklich bereit dazu, hineinzuspringen (verzweifelte Stimme).
Th: Spür mal deine Stimme. Spür mal, ob deine Bereitschaft da ist.
Wir brauchen nur diese Bereitschaft und alles geschieht. Ich kann dich begleiten,
aber du mußt springen. Beschreibe eine Randbedingung, die du brauchst,
um zu springen, mach einen Plan und komm her.
Kl: Ich muß da durch, ja. Der Zustand ist unerträglich.
Th: Mein Gefühl ist, du bist erreichbar auf sehr vielen Kanälen.
Du bist auch bereit, du hast auch viel Druck dahinter, Leidensdruck, Verzweiflung
und alles. Der Zeitpunkt ist schon gut. Du bist jetzt an einem Punkt angekommen,
wo alles da-bei ist, sich verändern zu wollen. Also es drückt alles.
Dein ganzer Körper reagiert, deine Darmgeräusche sind sehr da. Das
heißt also, wir könnten sofort anfangen.
Kl: Ja, ich weiß genau, wie es ist, in sowas reinzufallen. (traurig)
Wie weit bin ich im Moment?
Th: (lacht) Kurz vorm Sprung.
Dem Klienten wurde eine 10-tägige Primärgruppe begleitend und
unterstützend zur Einzeltherapie angeboten. Diese startete 2 Wochen später
mit 20 Teilnehmern im Kamala-Zentrum. Der Klient entschied sich jedoch für
einen weiteren Psychiatrie-Aufenthalt. Das innere Material drängt über
heftigen Ausdruck nach Auflösung. Ein erneuter Suizidversuch ist wahrscheinlich
oder er er muß weiterhin mit Medikamenten ruhiggestellt werden.
Die Spur verliert sich. Ob das Schicksal ihm neue Möglichkeiten
zur Aufarbeitung bot?